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Text File  |  1998-04-27  |  5KB  |  82 lines

  1. Titel  :  Hochgeschwindigkeitsnetze
  2. Autor  :  Henne (henne@mafia.ccc.de), pi@complx.stgt.sub.org
  3. Datum  :  28.12.92
  4. Seiten :  2
  5.  
  6. In dieser Diskussion (welche aus räumlichen Gründen in der Cafete stattfand),
  7. ging es zuerst einmal darum, auf laufende technische Entwicklungen
  8. aufmerksam zu machen. Daraus wurde gegen Ende auch eine lebhafte
  9. politische Diskussion.
  10.  
  11. Bis vor wenige Jahren war Datenkommunikation eine auf wenige Kilobit
  12. (meistens 64) pro Sekunde beschraenkte Sache, weil die Post einfach keine
  13. schnelleren Dienste anbot. Nur so grosze Unternehmen wie IBM haben derzeit
  14. grosze Standleitungsdatennetze und zahlen entsprechend dafuer: Fuer nur 13
  15. Leitungen mit jeweils 2 Megabit in Deutschland ueberweist IBM 28 Mio DM pro
  16. Jahr an die Post. Auch das Wissenschaftsnetz (WIN) hat erst im Herbst 1992
  17. Leitungen mit 2Mbit-Bandbreite zur Verfügung gestellt bekommen. Ein Uni, die
  18. dafür einen Anschluß will, zahlt dann aber auch DM 310 K pro Jahr dafür,
  19. das ist mehr, als eine Uni z.B. fuer Datenbankrecherchen zahlt.
  20.  
  21. Nun hat die Post ihre Tarife für 34 MBit- und 140 MBit-Standleitungen
  22. veröffentlicht. Die Hintergründe sind komplex (s.u.). Kosten tun solche
  23. Leitungen (nach dem Amtsblatt der Telekom Ende 1992) doch schon recht viel:
  24. 15 km mit 2 MBit kosten 8 KDM, 15 km mit 140 Mbit kosten 78 KDM, jeweils
  25. monatlich. Dazu kommen bei 140 MBit dann noch ein paar kleinere Nebenkosten
  26. mit ca. 10 KDM. Angeboten werden diese Dienst nur als Anschluß an einen der
  27. wenigen (10-20) Netzknoten in der BRDigung. Für jeden weiteren Kilometer
  28. von diesen Netzknoten zahlt mensch dazuhin 4700 DM im Monat.
  29.  
  30. Angeboten werden diese Hochgeschwindigkeitsdatennetze aber auf der Basis
  31. der digitalen Fernmeldenetze, die auf der sogenannten SDH (Synchronous Data
  32. Hierarchy) basieren. Das sind von der Post zwischen ihren wichtigesten
  33. Fernvermittlungszentralen verlegte Glasfaserstrecken. Ueber zwei
  34. Glasfaserkabel (Hin- und Rueckkanal, Glasfaser ist unidirektional) gehen
  35. nach der Spezifikation ca. 2.5 GBit. Und die gesamte Bandbreite, die für
  36. Ferngespräche in der BRDigung benötigt wird, ist nicht viel höher. Diese
  37. Verkabelungs- und Übertragungsstandards werden erst seit kurzem bei der
  38. Telekom eingesetzt. Auf diesen Fernmeldenetzen wollen die Postgesellschaften
  39. natürlich Datendienste im Multimegabitbereich anbieten. Die Diskussion
  40. geht derzeit dann aber über die Protokolle, mit denen die Nutzer diese
  41. hohen Geschwindigkeiten auch verwenden können. Da gibt es Vorschläge wie
  42. Frame Relay, ATM (Asynchronous Transfer Mode, Paketvermittelndes Netz
  43. mit Verbindungsauf- und abbau) und DQDB (Dual Queue Double Bus). Für die
  44. Nutzer sind zwei Aspekte wichtig: Paketvermittelter Austausch, d.h. nur
  45. kurze Datenmengen werden auf den Weg geschickt, mit sehr stark wechselnden
  46. Bandbreitenanforderungen (sg. Jitter, ca. 1:100). Oder z.B. für einen
  47. steten Strom von Bilddaten, er in Videokonferenzen vorkommt, sind
  48. synchrone Bitraten notwendig. Die Postinfrastruktur muß beides bedienen
  49. können.
  50.  
  51. In der Forschung sind derzeit bereits Bandbreiten von mehreren GBits/sec
  52. in Arbeit. Denn physikalisch ist mit Glasfaser eine praktisch beliebige
  53. Bandbreite realisierbar.
  54.  
  55. Nun zu den organisatorischen und politischen Auswirkungen: Wie an den
  56. Tarifen oben zu sehen ist, bekommt mensch also für den zehnfachen
  57. Preis eine an der Bandbreite gemessene 70-fache Leistung. Dies fordert
  58. ja geradezu heraus, daß sich mehrere kleine Nutzer, z.B. in einer Region,
  59. eine schnellere gemeinsame Leitung, z.B. an einen Diensteanbieter wie
  60. EUNet, Xlink o.ä. zulegt, als parallel mehrere dünne Leitungen zu bezahlen.
  61. Das erzwingt eine für hiesige Mittelständler meist ungewohnte Kooperation.
  62. Es folgen endlose Diskussionen über Sicherheit (wg. Netzwerkanschluß) und
  63. wer denn nun von wem profitiert.
  64.  
  65. Andererseits werden diese Hochgeschwindigkeitsnetze als Infrastruktur
  66. nur in wenigen städtischen Zentren wirklich kostengünstig angeboten
  67. werden können. Das Gefälle zwischen städtischen und ländlichen
  68. Gebieten wird sich weiter verstärken, weil Informations- und Kommunikations-
  69. kosten in zukünftigen Produktions- und Dienstleistungszentren die
  70. wichtigsten Kosten sein könnten.
  71.  
  72. Als weiterer Effekt können diejenigen, die diese hohen Bandbreiten als
  73. erste finanzieren und weiterverkaufen werden, eine Art Verdrängung
  74. durchsetzen. Wer hier nur kurze Zeit später einsteigt, kommt aus der
  75. Position des ewigen Zweiten nicht mehr heraus. Dies wird dazu führen,
  76. daß vor allem die Firmen mit einem langen Atem in der Finanzierung,
  77. also internationale Telekommunikationsunternehmen, die Hauptnutznießer
  78. der technischen Innovation sein werden. Ob dies nun bei einer Demokratie,
  79. die ja hauptsächlich davon lebt, daß alle einen ähnlichen Informations- und
  80. Kommunikation-Stand haben, funktioniert ?
  81.  
  82.